Das Ergebnis der Big Four ließ die Branche stagnieren – Stimmung und Prognosen sind aber optimistisch (2024)

Das Ergebnis der Big Four ließ die Branche stagnieren – Stimmung und Prognosen sind aber optimistisch (1)

Die Teilnehmenden des Presse-Roundtables (v.l.n.r.): Dr. Christoph Regierer (Mazars), Rainer Grote (RSM), Andrea Bruckner (BDO), Christoph Schenk (Deloitte), Gastgeber Jörg Hossenfelder (Lünendonk) undMichael Häger (Grant Thornton). (Foto: CONSULTING.de / Alexander Kolberg)

Das Geschäft mit Abschlussprüfungen und Steuerberatung lief in Deutschland insgesamt recht gut im Jahr 2021 – die TOP 25 der Branche legten ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 4,8 Prozent hin. Gleichzeitig sank – nur auf den ersten Blick paradox – das Gesamtvolumen des Marktes von 10,2 Milliarden auf 10,1 Milliarden Euro. Grund: Die Big Four, deren Ergebnis einen überproportionalen Einfluss auf die absoluten Branchenzahlen hat, verzeichneten im Mittel einen Umsatzrückgang von 2,9 Prozent. PwC, EY und Deloitte mussten Einbußen hinnehmen, einzig KPMG erwirtschaftete einen leichten Zuwachs. Das geht aus aktuellen Zahlen der Lünendonk®-Liste und -Studie 2022 über „Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland" hervor, die das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder am 6. Juli 2022 während einer Presserunde veröffentlichte.

Die Big Four verlieren vor allem im Consulting-Segment

Auf die reinen Platzierungen im Umsatzranking hatte die Delle bei drei der vier Marktführer indes keine Auswirkungen. Die Plätze 1 bis 12 wurden auch 2021 schon von denselben Unternehmen besetzt. Einordnungswürdige Veränderungen gab es aus Sicht der Teilnehmenden des Roundtable aber dennoch. Zuerst ein Blick auf die Ergebnisse der Big Four: Ganz vorne weiterhin PwC, die im Jahr 2021 einen Umsatz von 2,28 Mrd. Euro erzielten (2020: 2,4 Mrd.), gefolgt von EY mit 2,12 Mrd. Euro (2020: 2,15 Mrd.), KPMG mit 1,99 Mrd. Euro (2020: 1,93 Mrd.) und Deloitte mit 1,55 Mrd. Euro (2020: 1,69 Mrd.).

„Bei den Big Four sehen wir erstmals, seitdem wir die Wirtschaftsprüfungsbranche beobachten, eine Stagnation. Dies ist vor allem durch den Rückgang des Consulting-Geschäfts der jeweiligen Advisory-Einheiten zurückzuführen“, erläuterte Jörg Hossenfelder, geschäftsführender Gesellschafter von Lünendonk & Hossenfelder die Ergebnisse. Für das laufende Jahr 2022 sieht die Prognose der vier Marktführer allerdings wieder besser aus: Im Schnitt gehen sie laut Lünendonk-Studie von einem Umsatzwachstum von zehn Prozent aus. Die mittlere Prognose aller Top 25-Unternehmen inklusive der Big Four fällt mit 7,5 Prozent Zuwachs etwas gedämpfter, aber immer noch vergleichsweise optimistisch aus. Befragt wurden die Unternehmen im Zeitraum von Februar bis Mai 2022.

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Die Plätze 1-13. Zum Vergrößern klicken. (Quelle: Lünendonk-Liste 2022: Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland)

Gute Prognosen für das laufende Jahr, das Verfolgerfeld wird erweitert

Im Verfolgerfeld der Lünendonk-Liste wurden zwar ebenso wenig Plätze getauscht wie ganz vorne – doch taten einige Marktteilnehmende psychologisch wichtige Schritte, die nach eigener Überzeugung sowohl auf die Wahrnehmung bei potenziellen Kunden als auch auf die Attraktivität als Arbeitgeber einzahlen. Die fünftplatzierte BDO AG überwand erstmals die 300 Millionen Euro-Schwelle und erzielte ein Ergebnis von 303,5 Mio. Euro (2020: 284,7 Mio.). Mazars tat selbiges mit der 200 Millionen Euro-Schwelle und landete bei 204,2 Millionen Euro Umsatz (2020: 181,8 Mio.). RSM wiederum erzielte erstmals ein Ergebnis oberhalb von 100 Millionen Euro und verbuchte 101,2 Millionen Euro Umsatz (2020: 89,5 Mio.). Mit diesem Schritt erweitert das Unternehmen aus Düsseldorf das nun von Lünendonk als „Next Seven“ bezeichnete Verfolgerfeld – auch wenn der zehntplatzierte Grant Thornton (2021: 169,6 Mio. Euro) noch deutlich entfernt ist.

Psychologische Schwellen und Bewegung auf den Plätzen

Bewegung in das Ranking kam auf den Plätzen 13 bis 19. Die Dornbach GmbH schob sich mit einem Umsatz von 60 Millionen Euro um einen Platz nach vorne auf die 13. Die Bonner DHPG tat gleiches mit einem Ergebnis von 58,7 Millionen Euro und belegt nun Platz 14, womit beide Unternehmen PKF Fasselt (2021: 57,1 Mio. Euro/2020: 60,1 Mio.) überholen. Die Bansbach GmbH legt mit 50,6 Millionen Euro (2020: 41,5 Mio.) deutlich um 21,9 Prozent zu und schiebt sich auf Platz 16 vor die LKC Holding mit 50 Millionen Euro Umsatz. Und die Curacon GmbH aus Münster landet nun mit 44,3 Millionen Euro Umsatz vor Möhrle Happ Luther mit 43,3 Millionen Euro.

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Die Plätze 14-25. Zum Vergrößern klicken. (Quelle: Lünendonk-Liste 2022: Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland)

Weitere Studienergebnisse: Honorare steigen, Personal wird knapp, wenig ESG-Bezug

Als weitere Ergebnisse der Lünendonk-Studie, für die neben den Top 25 der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften auch 45 CFOs befragt und Quellen wie die Wirtschaftprüferkammer konsultiert wurden, präsentierte Jörg Hossenfelder u.a.:

  • Alle Top 25 Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften planen in 2022 eine Erhöhung der Honorare – im Mittel um 5,4 Prozent. Ein Grund dürfte sein, dass 84 Prozent von ihnen mit einem Gehaltsanstieg von mehr als drei Prozent noch in 2022 rechnen.
  • Digitalisierung, Personal-Recruiting und ESG/CSR/Nachhaltigkeit sind die drei Top-Themen bei den CFOs und somit mögliche Türöffner für Mandate;
  • Die Zahl der Teilnehmenden am Wirtschaftsprüfungsexamen nahm noch einmal zu und liegt jetzt bei 1.322 (2020: 1.153) – die Zahl der bestandenen Examina stieg ebenfalls leicht auf 374 (2020: 361);
  • Personalmangel ist dennoch ein branchenweites Phänomen und hemmt das Wachstum;
  • Nur 2,6 Prozent der Projekte hatten im Jahr 2021 einen ESG-Bezug.

Im Anschluss ordneten die Teilnehmer des Roundtables ihr Abschneiden ein und diskutierten die Studienergebnisse sowie weitere Branchenthemen – darunter auch nach wie vor die Folgen des Wirecard-Skandals und des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) für die Branche sowie die Trennung von Prüfung und Beratung. Hier einige Statements der Berufsträger in gestraffter Form:

Andrea Bruckner, Mitglied des Vorstands der BDO: „Zu unserem Umsatzergebnis: Wir konnten uns im vergangenen Jahr über eine deutlich höhere Marktwahrnehmung freuen… Wir brauchen leistungsstarke Abschlussprüfer, die weltweit qualitativ hochwertige Abschlussprüfungen leisten können – auch neben den BigFour… In den Prognosen aus der Studie für das laufende Jahr sind die hohen Unsicherheiten in Sachen Energieversorgung in den Unternehmen sicherlich noch nicht abgebildet… Recruiting halten wir im Personalbereich ebenso wichtig wie Retention und beschäftigen und viel mit New Work… Wir stehen weiter zur multidisziplinären Gesellschaft. Wenn wir da etwas aufgeben, würden wir Kundenbedürfnisse nicht mehr befriedigen. Das ist auch wichtig für die Attraktivität der Branche als Arbeitsgeber.“

Rainer Grote, geschäftsführender Partner bei RSM: „Die Größenordnung von 100 Millionen haben wir schneller geschafft als gedacht. Treiber ist unsere Fokussierung auf den Mittelstand… Auch uns beschäftigt das Thema ‚Personal‘ und wir beobachten vermehrte Tätigkeiten von Headhuntern… Durch die Regulierung im Bereich Wirtschaftsprüfung ist Bewegung in den Markt gekommen…Mandanten und Unternehmen müssen ihre Kontrollorgane richtig aufstellen und Verantwortung übernehmen – dieser Gedanke kam mit im FISG zu kurz... Teilweise wollen wir Mandate auch nicht bedienen. Ich bin überzeugt, dass manche Unternehmen in Zukunft Probleme bekommen werden, qualifizierte Abschlussprüfer zu finden.“

Dr. Christoph Regierer, geschäftsführender Partner bei Mazars: „Uns geht es nicht um Wachstum um jeden Preis. Wir wollen Verantwortung tragen für Gesellschaft, Mandanten und Mitarbeitende. Integrität spielt für uns eine große Rolle…Wir haben inzwischen am Markt das Phänomen einer Angebotsknappheit…Regulatorisch bin ich auch für das Zusammenbleiben der Disziplinen Prüfung und Beratung. Das ergibt sich nicht zuletzt auch aus den Kundensystemen wie ERP etc… Wir müssen den Technologieeinsatz erhöhen. Viel wird zukünftig über Algorithmen laufen müssen… Die CFOs müssen auch ihr eigenes Risiko managen und können nicht alles an Wirtschaftsprüfer auslagern.“

Michael Häger, Vorstandsvorsitzender von Grant Thornton: „Wir hatten ein großartiges Jahr 2021 – den Sprung auf ca. 170 Millionen hatten wir so nicht erwartet. Wachstum zum Selbstzweck betreiben wir nicht – allerdings ist es für viele potenzielle Mandanten und Mitarbeitende durchaus eine relevante Größe… Hinsichtlich der Digitalisierung gibt es zwei Ansatzpunkte: Unsere eigene Beratungspraxis und die Prozesse in den Unternehmen. Nicht alles kann man gleichermaßen beeinflussen. Überall da, wo Massendaten anfallen, brauchen wir Automatisierung… Die demografische Entwicklung können wir nicht aufhalten. Aber ein spannendes Arbeitsumfeld können wir auch bieten, nicht nur die Big Four.“

Christoph Schenk, Managing Partner Audit & Assurance bei Deloitte: „Wir bei Deloitte waren besser unterwegs, als wir es Anfang 2021 befürchtet hatten. Der Audit-Bereich war mit einem leichten Plus sogar ein Stabilitätsanker – im Bereich der Wirtschaftsprüfung sind wir insofern sicherlich zufrieden. Zehn Prozent Wachstum im Jahr 2022 würden mich nicht wundern… Digitalisierung ist bei uns ein großes Thema als Ergänzung bzw. Ersatz der vielen noch händischen Tätigkeiten… Wirtschaftsprüfer sind keine Dienstleister, außer im Bereich prüfungsnahe Beratung. Sie machen gesetzlich vorgeschriebene Tätigkeiten… Es gibt auch viele Fälle, wo Ermittlungen durch Wirtschaftsprüfer angestoßen wurden - auch wenn man davon nicht so viel in den Medien liest.“

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