Tod in der Arena: Gladiatoren vergossen ihr Blut nach genauen Regeln - WELT (2024)

Geschichte Tod in der Arena

Die Kämpfe auf Leben und Tod im Amphitheater waren die wichtigste Unterhaltungsbranche Roms. Aber sie waren nicht einfach gewalttätiger Zeitvertreib, sondern vermittelten auch einige Botschaften.

| Lesedauer: 5 Minuten

Von Florian Stark

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„Von einem gesunden Anfang haben sich die Spiele zu diesem – selbst für mächtige Staaten – kaum noch erträglichen Wahnsinn entwickelt.“ Was manche heutzutage auf die Fußball-WM wenden, prangerte der römische Historiker Livius vor 2000 Jahren im Hinblick auf die Gladiatorenwettkämpfe an. „Das Volk lechzt nur nach Brot und Spielen“, sekundierte ihm der Satiriker Juvenal. Und er hatte wohl recht damit.

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Allein im Kolosseum in Rom sollen zwischen 80 und 400 rund 300.000 Menschen ihr Leben gelassen haben. Und das Amphitheater, das Kaiser Vespasian nach 70 n. Chr. in den Trümmern von Neros „Goldenem Haus“ errichtete, war nur eine von 200 Arenen des Imperiums, in denen Menschen auf Leben und Tod kämpften. Als Kaiser Trajan seinen Triumph über die Daker feierte, soll der munus, wie die Spiele genannt wurden, 123 Tage gedauert haben. 10.000 Kämpfer und 11.000 exotische Tiere sorgten dafür, dass sich der Boden des Kolosseums rot färbte.

Dass die römische Gladiatur zu den faszinierendsten Phänomenen der antiken Welt gehört, zeigen ihre Erfolge in der Popkultur. Von Asterix’ Auftritten in der Arena über Ridley Scotts Oscar-gekrönten Film „Gladiator“ (2000) bis zur „Tribute von Panem“-Trilogie der amerikanischen Bestsellerautorin Suzanne Collins sind diese blutigen Unterhaltungsorgien Allgemeingut geworden. Seminare und Workshops über Gladiatoren erfreuen sich großer Beliebtheit.

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Und auch das Motto des alle zwei Jahre stattfindenden Römerfests, zu dem am 23. und 24. Juni der Archäologische Park des Landschaftsverbands Rheinland in Xanten einlädt, lautet heuer „Schwerter, Brot und Spiele“. 20.000 Besucher werden sich dann im größten archäologischen Freilichtmuseum Deutschlands wieder an Waffen, Kostümen und Reenactment-Szenen der Arena vergnügen.

Aber Gladiatorenkämpfe lassen sich nicht auf Mordlust und bedeutungsloses Abschlachten reduzieren. In dem ebenso schmalen wie informativen Bändchen „Gladiatoren“ hat jetzt die Berliner Wissenschaftsautorin Leoni Hellmayr eine griffige Einführung in die wichtigste Branche des antiken Unterhaltungsgewerbes vorgelegt und räumt damit zugleich mit zahlreichen Legenden auf: Die Spiele waren gewiss ein Zeitvertreib mit Suchtfaktor. Aber nicht nur das: „In gewisser Weise spiegelte das Amphitheater die Welt des Römischen Reiches im Kleinformat wider.“

So bildete sich in der Arena buchstäblich die römische Gesellschaft ab. Auf den besten Plätzen unweit der Ehrenloge für den Ausrichter der Spiele und – natürlich – den Kaiser nahmen die Senatoren und andere Angehörige der Elite Platz, darüber folgten die freien Männer, gefolgt von Frauen und schließlich Sklaven. Orgiastische Ausschweifungen, wie sie gern von Sandalenfilmen in Szene gesetzt werden, gehören in das Reich der Fantasie.

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Auch die Ordnung des Programms diente einem durchaus ernsthaften Ziel, galt es doch, die Tugenden herauszustellen, die Rom zur Weltmacht geführt hatten. Die exotischen Tierhatzen, die am Vormittag dargeboten wurden, symbolisierten den Zuschauern die Größe des Imperiums. Die Massenabschlachtungen um die Mittagszeit, in der verurteilte Verbrecher und Kriegsgefangene sich zu Hunderten umbrachten, standen für die Vernichtung aller Feinde, während die Gladiatorenkämpfe zum Abend hin Tapferkeit und Todesmut der Römer und ihrer Legionen repräsentierten.

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So blutig mochten es nur die Römer in der Arena

Daher waren die Kämpfe der Gladiatoren strengen Regeln unterworfen. Im Gegensatz zu den Metzeleien zuvor wollte das Publikum nicht primär Blut sehen, sondern einen technisch hochwertigen Kampf starker und tapferer Gegner, die auch in der Niederlage Haltung bewahrten. Um das zu gewährleisten, erhielten Gladiatoren in den Kasernen ihrer lanistae (Unternehmer, die Gladiatorentruppen unterhielten) eine gute Ausbildung samt Gesundheitsfürsorge. Die Kämpfer rekrutierten sich zunächst aus Sklaven, doch schlossen ab dem zweiten Jahrhundert auch zunehmend Freie und auch Frauen Verwertungsverträge mit einem lanista ab, bot die Arena doch eine gute Möglichkeit, Wohlstand und Starruhm zu erwerben.

Anders als die Teilnehmer in den Massenveranstaltungen, als deren Motto unter Kaiser Claudius einmal das berühmte „morituri te salutant“ (die Todgeweihten grüßen dich) überliefert ist, hatten Gladiatoren ziemlich gute Überlebenschancen. Denn zu den wichtigsten Regeln des Kampfes gehörte die Abstimmung des Publiku*ms über die Qualität der Teilnehmer. Hatten ihre Standhaftigkeit und Technik Eindruck gemacht, votierte man gern für ihr Überleben.

Roms Gladiatoren in der Rekonstruktion

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Im anderen Fall wurde dem Leiter der Spiele, einem hochgestellten Aristokraten oder dem Kaiser, (sicherlich nicht mit dem Daumen) bedeutet, dass der Verlierer sein Leben verwirkt habe. In diesem Sinne führte Roms Elite in der Arena einen regelrechten Dialog mit den Untertanen, in dem es politisch unklug war, Gegenpositionen einzunehmen. Schließlich waren die Spiele eine Investition, die vor allem der Steigerung des eigenen Ansehens diente.

Hellmayr überrascht mit vielen interessanten Details. So darf man sich die Gladiatoren nicht als muskulöse Männer mit Waschbrettbauch vorstellen. Weil sie sich hauptsächlich von Bohnen und Getreidebrei ernährten, waren die meisten von ihnen wohl eher dicklich als drahtig. Linkshänder waren im Vorteil. Wer mit dem Schwert in der Linken kämpfte, hatte automatisch einen Bonus beim Publikum.

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In solchen Zentren trainierten Roms Todes-Sportler

Doch auch nach 20 Siegen und einigen ehrenvoll überstandenen Niederlagen konnte ein Gladiator den Makel der Arena nicht abstreifen. Er sollte zwar zeigen, wie mannhaft Römer ehrenvolle Wunden empfingen und den Tod verachteten. Aber da er das als Knecht Höhergestellter tat, wurde er denn auch leicht auf eine Stufe mit den Prostituierten und Sexdarstellern gestellt, die in späteren Jahren zunehmend im Pausenprogramm auftraten.

Allerdings hatte die öffentliche Moral zwei Seiten. Selbst Kaiser scheuten sich nicht, in einer ludus (Gladiatorenschule) zu trainieren. Und so manchem Gladiator winkten nicht nur Freiheit und gutes Einkommen, sondern auch die Gunst hochgestellter Damen.

Leoni Hellmayr: „Gladiatoren“. (Reclam, Dietzingen. 10 Euro, 100 Seiten)

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